Backstage: Marion Levy

von DigitaleBuehne_Admin

Leiterin Finanzen und Controlling

Backstage: Marion Levy

Leiterin Finanzen und Controlling bei der Digitalen Bühne

Foto: Sophia Levy

Marion Levy ist in Barcelona geboren und aufgewachsen, hat an der Schule Estudis de teatre Schauspiel studiert und nach dem Studium als Schauspielerin bei La Fura dels Baus gearbeitet. „Die Arbeit nach Jacques Lecoq und das performative Theater mit La Fura dels Baus haben mir eine andere Ansicht zum Spielen gebracht.“ Im Sommer 2008 ging Marion nach Berlin, um die Geschichte ihrer Familie, die von Deutschland nach Spanien emigriert war, besser zu verstehen, und um an der Volksbühne zu arbeiten. „Ich hatte ein Stück von Frank Castorf gesehen, Endstation Amerika, das mich sehr beeindruckt hatte, die Länge und die Ausdauer der Schauspieler:innen, und die Texte, die teilweise gebrüllt wurden, faszinierten mich, wie auch das Brechen der vierten Wand und die Geste, die Zuschauer:innen zu einem Teil des Stücks zu machen. Im Oktober 2008 habe ich dann an der Volksbühne eine Regiehospitanz angefangen mit Athanasios Karanikolas, für das Stück Hure mit Luise Berndt und Frank Büttner.“ 2009 arbeitete Marion in ihrer ersten Regieassistenz mit René Pollesch und Sophie Rois an der Inszenierung des Stücks Ein Chor irrt sich gewaltig, und in den nächsten Jahren blieb sie als Regieassistentin im Team von Pollesch und übernahm dabei auch kleinere Einsätze wie etwa als Sängerin im Chor von Mädchen in Uniform oder als Spielleiterin in Du hast mir die Pfanne versaut, du Spiegelei des Terrors. „Renés Auseinandersetzung mit dem aktuellen philosophischen Diskurs und die vielen Diskussionen, die wir über diese Fragen in den Proben hatten, waren für mich faszinierend, und die gemeinsame Arbeit in der Gruppe hatte eine ganz besondere Atmosphäre. Das war eine spannende Zeit.“

Marion Levy / Foto: Sophia Levy

Als 2010 Marions Tochter auf die Welt kam, zeigte sich schnell, dass ihr Alltag als alleinerziehende Mutter mit der Regieassistenz nicht mehr vereinbar war, und Marion wechselte an der Volksbühne in die Finanzbuchhaltung, in der sie für Verträge, Aufführungsrechte, Abrechnungen und andere Verwaltungsaufgaben zuständig ist. „Es war zuerst schwierig, alles loszulassen, was ich mir im Theater aufgebaut hatte, aber mit der Zeit habe ich die Finanzverwaltung dann gemocht. Im Theater muss man kreativ sein mit der Finanzbuchhaltung, man muss ordnungsgemäß den Regeln folgen, aber dabei auch Wege finden, die den künstlerischen Interessen gerecht werden.“ Als das Digitale Bühne Projekt 2020 seine erste Förderung bekam, fragte Thomas Engel vom Internationalen Theaterinstitut, das zunächst der Projektträger war, Marion an, ob sie die Finanzverwaltung übernehmen könnte, und seitdem ist sie zusätzlich zu ihren Aufgaben an der Volksbühne auch verantwortlich für das Vertragswerk und Finanzcontrolling der Digitalen Bühne.

Die neuen digitalen Möglichkeiten in den performativen Künsten sind oft nicht weit entfernt von Szenerien, die an der Volksbühne und anderen Theatern in früheren Jahren schon entwickelt wurden. Als Pollesch 2008 Tal der fliegenden Messer inszenierte, wurden einlagert in den Live-Auftritt der Schauspieler:innen auf einer zentralen Projektionsfläche Videosequenzen eingespielt, die Szenen aus dem Zirkuswagen auf der Bühne, Live-Szenen aus der Umgebung des Theaters und filmische Szenen aus dem Stadtraum zeigten. Von dieser Erweiterung des Bühnenraums ist es ein kurzer Weg zu digitalen Bühnenbildern, die mit Projektionen arbeiten, und zu hybriden Auftritten, die Schauspieler:innen von anderen Orten digital einbeziehen oder für ein Publikum an anderen Orten live gestreamt werden. „Wir zeigen an der Volksbühne gerade Is Anybody Home?, ein Stück von Gob Squad, da werden Szenen aus Wohnungen in der Stadt live in den Bühnenraum gestreamt, alle Aktion spielt sich da draußen ab, und auf der Bühne steht nur ein Bett mit einer Schauspielerin, die zusieht.“

In den vergangenen Jahren hat Marion selbst an Projekten teilgenommen, die mit der digitalen Interaktion in verschiedenen Kunstformen experimentieren konnten. „In einem früheren TUSCH Projekt, ‚Theater an Schulen‘, haben Dorlies Radike-Thiel und ich in der Corona-Zeit mit Schüler:innen des OSZ Technische Informatik & Energie Management in Berlin digital gearbeitet, wir haben Kurzfilme gedreht und Hörspiele aufgenommen.“ Im Folgeprojekt Musiandra stand die Digitalisierung in Drama und Musik im Mittelpunkt, mit einer EU-Förderung konnten das OSZ TIEM und die Volksbühne mit Partnerinstitutionen in Frankreich, Island, Österreich, Spanien und der Türkei zusammenarbeiten. „Unser Programm reichte von transnationalen Workshops über die Organisation von Konzerten, die live gestreamt wurden, bis hin zu Experimenten, wo zum Beispiel Schüler:innen in Island mit Schüler:innen in Deutschland digital vierhändig Klavier gespielt haben. Man kann sich für die Musik und das Theater viele Möglichkeiten vorstellen, mit Menschen digital zu arbeiten, die in anderen Ländern leben.“

In der Theaterarbeit werden diese Möglichkeiten aktuell aktiv entfaltet, zum Beispiel im teatreBLAU, einem Ensemble mit Mitgliedern auf Mallorca, in Berlin und in Brandenburg, das seine Stücke über die Digitale Bühne entwickelt und probt, und erst für die letzten Proben und den Auftritt „in Person“ zusammenkommt. „Ich glaube, dass auch die Möglichkeit, hybrid mit Schauspieler:innen zu arbeiten, die aus ihrem eigenen Land nicht weggehen können, aber trotzdem einbezogen werden möchten, eine große Bereicherung ist.“ Dabei ist aber klar, dass die digitalen Formen das Face-to-face ersetzen, aber nicht ergänzen können. „Wenn man sich vor Ort trifft, entsteht in der Auseinandersetzung noch einmal etwas anderes.“

„Ich habe letztens ein Projekt mit Sebastian Kaiser gemacht, Der Einsiedler, und ich denke manchmal, dass das Digitale auch etwas Einsiedlerhaftes hat: Ich bin hier und kann mich abschotten von der Welt, obwohl ich alles sehe und selbst gesehen werde.“ Es gibt im Theater eine geteilte Live-Präsenz, die digital nicht erfahrbar ist, auch wenn das digitale Element ein plastisches Teilhaben an der Aufführung möglich macht. Vielleicht hängt dieses Einzigartige mit dem Feedback, der Resonanz zusammen, die das Geschehen auf der Bühne mit dem Publikum verbindet. „Im Theater siehst du die Menschen um dich herum, die Freude haben, da gibt es eine Verbindung und eine Energie, die man digital nicht umsetzen kann. Wenn man sich diese Grenze bewusst macht, kann man mit dem Digitalen sehr produktiv arbeiten.“

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