Backstage: Stefan Winter

von DigitaleBuehne_Admin

Strategische Konzeption, Texte

Backstage: Stefan Winter

Stefan Winter / Foto: Manuela Clemens

„In dem aktuellen Wandel, durch den unsere Gesellschaft geht, von ihrer Medienlandschaft bis zur Struktur der Arbeitswelt und dem kulturellen Feingewebe, in dem wir zusammen leben, leisten die Künste einen wichtigen Beitrag“, sagt Stefan Winter, Honorarprofessor & Vorstand des Instituts für künstlerische Forschung an der Filmuniversität Babelsberg und Visiting Professor an der University of the Witwatersrand in Johannesburg / Südafrika. Die Künste eröffnen neue Wege der Wahrnehmung und des Wissens und zeigen neue Haltungen und Verhaltensweisen, und in dieser transformierenden Kraft sind sie in der Lage, Orientierungen vorzuzeichnen und gesellschaftliche Veränderungen mitzugestalten. „In der laufenden Digitalisierung, die sich durch alle Bereiche zieht, gibt die Digitale Bühne Kunst- und Kulturschaffenden in Musik, Theater, Tanz und Performance die Möglichkeit, von verteilten Orten aus zusammen zu arbeiten und darin den digitalen und hybriden Raum nicht nur als Medium zu nutzen, sondern auch selbst zu gestalten. Beides ist wichtig für die Selbstbehauptung der Künste in einer zunehmend digitalisierten Welt.“

Im Herbst 2021 hat sich Stefan Winter dem Digitale-Bühne-Team angeschlossen in der Faszination für ein Projekt, das in seinen drei strukturellen Merkmalen Modellcharakter hat. „Erstens führen hier Impulse aus der Kunst zu der Entwicklung einer neuen Technologie, in einer Zusammenarbeit, die an Einrichtungen wie dem MIT in Boston oder der ETH Zürich zwar geläufig ist, im deutschen Raum aber bisher eher ungewohnt geblieben ist.“ Die Digitale Bühne wird von ihren Nutzer:innen nicht nur als ein gegebenes Instrument verstanden, sondern auch als ein Möglichkeitsraum, an dessen weiterer Gestaltung sie sich im Feedback beteiligen können. So ist der Raumeditor der Web-Version, mit dem man die Stimmen und Instrumente im Audioraum der Digitalen Bühne beliebig anordnen kann, auf Anregung einer Gruppe von Nutzer:innen entstanden, und wieder eine andere Gruppe hatte sich ein eingebautes Server-seitiges Metronom gewünscht, das jetzt in der PC-Version enthalten ist. Mit der für die kommende Entwicklungsphase geplanten Entwicklung einer iPad-App zum Latenz-armen Musizieren wird diese bewährte Form der praxisnahen, kooperativen Innovation auch in der Zukunft fortgeführt.

„Zweitens wird die Digitale Bühne als ein neues Medium für die Künste gemeinnützig an die Nutzer:innen weitergegeben, was nicht dem geläufigen Modell entspricht, dass technologische Innovationen von kleinen oder großen Unternehmen nach Marktgesetzen verbreitet werden.“ Von Anfang an war die Digitale-Bühne-Initiative getragen von der Idee eines gemeinnützigen Miteinanders. Da das Projekt bisher von Ministerien auf Bundes- und Länderebene, sowie von privaten und öffentlichen Förderinstitutionen, wie der Crespo Foundation oder Bayerischen Sparkassenstiftung, finanziert wurde, konnte die Digitale Bühne in ihrer breiten Anwendbarkeit finanziell niederschwellig in der Mitte der Gesellschaft verankert werden. Die Empfehlung der EU-Beraterin Mariana Mazzucato, technologische Innovationen nicht nur dem Markt zu überlassen, ist hier bereits realisiert.

„Und drittens bietet das Digitale Bühne Team den Nutzer:innen nicht nur umfassende Beratung und Begleitung, sondern baut auch ein starkes Netzwerk wechselseitiger Unterstützung auf, dem aktuell schon mehr als 80 Institutionen angehören.“ Im Netzwerk tauschen die Partner:innen Eindrücke aus der Arbeit mit der Digitalen Bühne aus und teilen ihre Erfahrung mit technischen Anforderungen in verschiedenen Anwendungsszenarien. Die Struktur des Netzwerks ist darauf angelegt, dass sich Impulse und Ideen im Feedback verstärken können.

Ebenso wie das Digitale-Bühne-Projekt in neuen Strukturen der Zusammenarbeit entwickelt wird, öffnet auch die Digitale Bühne selbst für ihre Nutzer:innen neue soziale Räume und Formen der Interaktion. „Im Musikunterricht ergänzen und erweitern digitale Formate, die im Partner-Netzwerk der Digitalen Bühne erprobt oder bereits erfolgreich umgesetzt werden, auf vielen produktiven Wegen das gemeinsame Arbeiten in Präsenz.“ In digitalen Unterrichtseinheiten oder Workshops wird es auch möglich, von Expert:innen an weit entfernten Orten zu lernen. „Jugendliche, die gerade in ländlichen Gebieten Schwierigkeiten haben, andere zu finden, mit denen sie musizieren können, lernen Gleichgesinnte über das Internet kennen, spielen mit ihnen erste Sessions mit der Digitalen Bühne und treffen sich danach mit ihnen face to face.“ Gruppen, Ensembles, Chöre und Orchester können in der hybriden oder digitalen Probe Mitglieder einbeziehen, die an verschiedenen Orten leben oder situativ gerade verhindert sind, im analogen Probenraum zu erscheinen. Hybride oder digitale Aufführungen von Musik, Theater, Tanz und Performance nehmen ein Publikum mit, das sich von verteilten Orten aus einschalten kann. „In allen diesen Formaten fördert die Digitale Bühne Inklusion, Nachhaltigkeit und neue Arten der Gemeinschaft und Zusammenarbeit.“

Und für die Künste ist es darin besonders wichtig, dass das neue digitale Medium auch neue Ausdrucksformen möglich macht, so wie es in der Geschichte an jeder Schwelle einer neuen medialen Technologie zu sehen war. „Hier beginnt eine Zone des Experiments, die gerade ausgelotet und erkundet wird, zum Beispiel in der Arbeit des teatreBLAU, das mit der Digitalen Bühne eine neue Art des Musiktheaters aufbaut.“ Die Entwicklung neuer künstlerischer Ausdrucksformen, die alltägliche Arbeit mit der Digitalen Bühne und der Austausch im Partner:innen-Netzwerk sind vergleichbar mit der Bewegung in einem komplexen System, in dem unerwartete Effekte eintreten können und das Steuern von Prozessen sich die Waage hält mit einer Haltung, die den Dingen Raum und Zeit gibt, um Gestalt anzunehmen. „Wir sind gespannt, was hinter der nächsten Wegbiegung erscheint.“

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