Das Händel-Haus Halle/Saale. Hagen Jahn im Gespräch

von DigitaleBuehne_Admin

Die Digitale Bühne im Test:

Die Digitale Bühne im Test

Foto: Teresa Ramer-Wünsche

Das Händel-Haus Halle/Saale. Hagen Jahn im Gespräch

Hagen Jahn studierte Musikwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte, arbeitete lange als Erzieher und Musikpädagoge und organisierte im Rahmen der Händel-Festspiele Veranstaltungen für Kinder und ihre Familien, bevor er vor drei Jahren die Leitung der Museumspädagogik am Händel-Haus Halle übernahm. „Händels Geburtshaus, in dem er auch aufgewachsen ist, wurde 1938 ein Museum, das seit 2002 seine historische Instrumentensammlung in einem Neubau zeigt und seit 2009 eine grundlegend neu gestaltete Ausstellung. In unserer Ausstellung haben wir historische Portraits, Drucke, Zeichnungen, Notenschriften aus dem Barock, die Händels Leben und Werk abbilden.“ Eine animierte Opernbühne, die 2009 entstanden ist, gibt mit den damaligen Möglichkeiten einer Mehr-Ebenen-Projektion einen belebten Einblick in die Welt der Händel-Oper - in animierten Kurzfilmen werden Opern Händels angespielt und Effekte der damaligen Bühnentechnik erläutert. Angegliedert an die Instrumentensammlung vermittelt ein „Klangstudio“ mit mehreren Stationen spielerisch-experimentell Eindrücke von den physikalischen Grundlagen des Klangs und der Musik. „Die Besucher:innen können plastisch nachvollziehen, wie die Töne unserer Stimme entstehen, wie sich Schall ausbreitet, welche Frequenzgänge Instrumente haben - das ist für Erwachsene interessant, und bietet sich als Vermittlung für Kinder und Jugendliche besonders an.“ In Ergänzung zur Ausstellung veranstaltet das Händel-Haus auch eigene Konzertreihen, teilweise in Kooperation mit dem Händel-Festspielorchester, und bietet weitere Formate wie etwa Seniorenseminare.

Eine wichtige Tendenz in der Aufführungspraxis alter Musik, die in den 1960er Jahren angefangen hat, zielt darauf ab, dem originalen Klangbild der Kompositionen mit historischen Instrumenten und Spieltechniken der Zeit so weit wie möglich gerecht zu werden. „Im vokalen Musizieren hat man Countertenören die hohe männliche Singstimme übertragen, die früher von Kastraten gesungen wurde, und viele Aufführungen folgen der Tendenz, in der jeweiligen Originalsprache zu singen und nicht in der deutschen Übersetzung; auch die Inszenierungen haben sich gewandelt hin zu einem originaleren Verständnis.“ Dem Publikum begegnet eine andere Zeit, die spannend zu entdecken ist. Die Gäste der Ausstellung im Händel-Haus sind teils klassische Museumsbesucher:innen, teils händelbegeisterte Enthusiast:innen, die aus anderen Städten und Ländern nach Halle kommen, oft in Verbindung mit einem Besuch der Händel-Festspiele, die jedes Jahr zwei Wochen lang im Juni stattfinden. 

„Für die jungen Besucher:innen hat das Händel-Haus in Kooperation mit einer Filmfirma die animierte Filmfigur Händel Junior geschaffen, die stark den Sehgewohnheiten von Kindergarten- und Grundschulkindern entspricht. In der Museumsführung erzähle ich auch Geschichten und Legenden aus Händels Jugendzeit, setze Puppen ein und bringe einzelne Instrumente zum Klingen.“ Für die Kinder und Jugendlichen wird gemeinsames Singen, Musizieren mit Orff-Instrumenten und historisches Tanzen angeboten, was dazu beiträgt, dass sie sich in die Kultur der klassischen Musik hineinversetzen können. Für den Bezug zur Realität heute bieten sich dann viele Brücken an, wie zum Beispiel die Verwendung des Händel-Anthems Zadok the Priest als UEFA Champions League Hymne. Gerade die jungen Besucher:innen nehmen gern auch digitale Angebote an, mit denen sie in ihrem Alltagsleben bereits umgehen.

Hagen Jahn bei einer Museumsführung. (Foto: Nora Rutte)

„Seit Corona sind wir auf dem Weg einer stärkeren Digitalisierung des Museums, in einer Verflechtung von analogen und digitalen Zugängen versuchen wir, vor Ort digitale Elemente einzufügen und auch digital nach außen zu gehen.“ Das Händel-Haus bietet einen WLan-basierten Museumsguide, den Besucher:innen auf dem Smartphone oder Tablet entweder chronologisch durchgehen oder über QR-Codes an den einzelnen Stationen der Ausstellung punktuell abrufen können. Auf seinem Facebook-Kanal informiert das Händel-Haus über aktuelle Veranstaltungen. Weitere Digitalisierungsschritte, die vor allem das jüngere Publikum ansprechen, sind bereits in Vorbereitung. „Mit der Filmfirma, die Händel Junior produziert hat, möchten wir Workshop-Angebote entwickeln, die Elemente aus Händels Musik mit spielerischen digitalen Möglichkeiten erlebbar machen.“ Und um noch mehr junge Menschen zu erreichen, plant Hagen Jahn mit der Digitalen Bühne ein Format, in dem er über eine digitale Live-Übertragung mit Projektion als Gast in den Musikunterricht an Schulen kommen kann, um den Schüler:innen einen Weg zu Händels Leben und Werk zu eröffnen.

„Musik ist ein Fach, das an den öffentlichen Schulen nur ein bis zwei Stunden in der Woche unterrichtet wird, und da ist es natürlich schwierig, mit der Klasse einen Museumsbesuch im Händel-Haus zu realisieren und ihn im Unterricht vor- und nachzubereiten. Deshalb ist es ein schöner Gedanke, Schulen sowohl in Halle wie in der weiteren Entfernung über die digitale Strecke mitzunehmen.“ In der Live-Übertragung kann sich Hagen Jahn durch das Händel-Haus bewegen, so dass die Klasse auf der anderen Seite einen Eindruck bekommt, was es in der Ausstellung zu sehen gibt. „Man kann sich auch vorstellen, dabei mit der Kamera Perspektiven zu filmen, die man in einer analogen Führung mit der Gruppe gar nicht einnehmen könnte, zum Beispiel ein Tasteninstrument von unten anzuschauen oder in es hinein zu zoomen, um Details sichtbar zu machen.“ Der digitale Besuch im Klassenzimmer kann eingerahmt werden durch einen Vorlauf, in dem die Lehrkräfte einführendes Material erhalten, und eine Nachbereitung, die einzelne Themen je nach Altersgruppe sach- oder erlebnisorientiert vertieft. „Es gibt auch viele Mitspielsätze zu Händels Musik, wo man klatschen, Silben sprechen oder mit dem Orff-Instrumentarium aktiv sein kann. Dafür reicht in der Regel die Zeit gar nicht bei Führungen hier im Museum.“ 

In allen diesen digitalen Formaten bleibt die analoge Welt der Ausgangspunkt, der erweitert und bereichert wird durch eine andere Zugangsform, die oft auch geeignet ist, Barrieren abzubauen. „Wenn ein Instrument zu mir ‚sprechen‘ kann, indem es mir seinen Tonvorrat auf einem Computer ausspielt, dann beginnt es zu leben, und dann ist auch die Distanz nicht mehr so groß zwischen den Objekten, die in der Sammlung oft hinter Glas stehen, und den Besucher:innen, die sich für sie interessieren.“ In der Ergänzung ist das Digitale aber keine einfache Kopie des Analogen, sondern ein ganz neuer Arbeitsbereich, der separat gedacht und separat gepflegt werden muss - was mit viel Arbeit verbunden ist, im Aufbau von Digitalkompetenz wie auch in der technischen Wartung. Dafür sind weitere Ressourcen erforderlich, und auf die Anfangsinvestition müssen dann auch Pflegeinvestitionen folgen. „Wir im Händel-Haus gehen hier in kleinen Schritten vorwärts, und es bleibt dabei für uns eine attraktive Idee, das Tor der Bits und Bytes zu öffnen, um mit digitaler Gestaltung ein viel weiteres Publikum zu erreichen.“

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