Das Kleist Forum in Frankfurt (Oder). Florian Vogel im Gespräch
Florian Vogel kommt aus Stuttgart, studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Rhetorik in Tübingen und lebte seine erste berufliche Begeisterung für das Theater zuerst als Hospitant und Assistent, nach dem Studium arbeitete er dann als Dramaturg am Staatstheater Stuttgart. „Künstlerische Berufe sind in meiner Familie geläufig, zwei meiner Brüder sind Orchestermusiker, zwei andere Balletttänzer, und ich selbst bin fasziniert in der Theaterwelt geblieben.“ 2005 ging Florian Vogel als Dramaturg an das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg und übernahm dort 2010 die künstlerische Leitung des Hauses. Neben seiner Arbeit als Dramaturg blieb er auch in der Lehre aktiv: 6 Semester war er Dozent für Dramaturgie an der Universität Tübingen, und in der Schweiz lehrte er an der ETH Zürich und in einer Masterclass des Internationalen Theaterinstituts. „Gern habe ich mich auch in Theatergremien und Juries engagiert. Seit 2000 leite ich die Jury des Kleist-Förderpreises für junge Dramatik, das ist eine Achse der Kontinuität, die mich mit Frankfurt (Oder) verbindet.“ Seit 2016 arbeitet Florian Vogel in der Stadt als künstlerischer Leiter des Kleist Forums.
Das Kleist Forum, vor 24 Jahren neu gebaut, ist ein Theater mit sehr moderner Bühnentechnik. „Wir haben zwei Hauptbühnen, die wir flexibel bespielen können: eine Studiobühne mit 100 Plätzen für das Publikum und eine große Bühne mit Bühnenturm und Obermaschinerie, wo wir 575 Plätze haben und von der etablierten Oper bis zum Theaterexperiment alles zeigen können.“ Das Programm im Kleist Forum besteht aus Eigen- und Co-Produktionen in allen Sparten der Darstellenden Künste - Opern, Operetten, Musicals, Revues und Konzerte werden ebenso angeboten wie traditionelle und experimentierende Theaterformen, Lesungen, Round Tables und Talk Shows. In der Reihe „Theater der Zukunft“ werden z.B. Augmented Reality-Formate ausprobiert, und die Bürgerbühne im Kleist Forum zeigt fünf bis sechs Produktionen im Jahr. „In der nächsten Spielzeit bringen wir mit Eva Mattes und Roberto Ciulli einen Text von Navid Kermani in Uraufführung auf die Bühne. Wir sind ein offenes Haus mit einem sehr diversen Spielplan - für unser Publikum, das aus Intellektuellen ebenso besteht wie aus Menschen, die aus einem bildungsschwachen Kontext kommen, machen wir anspruchsvolle und auch niedrigschwellige Angebote.“ Während Florian Vogels künstlerischer Leitung sind die Besuchszahlen im Kleist Forum ständig gestiegen.
In der Programmgestaltung des Kleist Forums ist die Überzeugung abzulesen, dass das Theater ein Raum für den öffentlichen Diskurs sein soll, wo Fragen verhandelt werden, die vielleicht nicht alle, aber doch viele etwas angehen. Und umgekehrt wird das Kleist Forum von seinem Publikum als ein Ort lebendiger Kultur in der Stadt wahrgenommen. In Zeiten der DDR war Frankfurt (Oder) ein bedeutender Ort der Halbleiterproduktion, die 1989 aber eingestellt wurde, und seither hat die Stadt keinen neuen industriellen Boom erlebt. Junge Menschen ziehen weg, die Einschreibungen an der Europa-Universität Viadrina gehen zurück, viele der Studierenden leben in Berlin, wo das Umfeld interessanter wirkt, oder im polnischen Slubice, das in den Kosten günstiger ist. „Als kreisfreie Stadt mit knapp 60,000 Einwohnern bietet Frankfurt (Oder) nicht die Infrastruktur für ein Nachtleben, wie wir es aus anderen Städten kennen. Ich haben im Kleist Forum eine Gastromie aufgebaut mit einer Köchin, die sich u. a. um die Künstler:innen kümmert und Begegnungsorte zwischen Bühne und Publikum nach den Vorstellungen schafft “ Nicht jede Interaktion mit den Menschen in der Stadt war für Florian Vogel positiv, in der Auseinandersetzung mit Anhänger:innen der AFD, die er in ihrer Struktur öffentlich kritisiert hat, wurde er verschiedentlich auch angegriffen. „Die Streitkultur, in der man Menschen, die eine andere Auffassung haben, als ein Gegenüber im Dialog respektiert, verschiebt sich aktuell leider in Richtung einer Cancel Culture, in der andere Stimmen abgeschafft werden sollen. Vielleicht finden wir im Theater ästhetische Werkzeuge, mit denen sich die Menschen wieder mehr auf einander zubewegen können - ich möchte mit dem Publikum jedenfalls intensiv im Dialog sein.“