Chris Poller im Gespräch - Teil 1

von DigitaleBuehne_Admin

Die Digitale Bühne im Test: Die Kreismusik- und Kunstschule (KMKS) Gebrüder Graun.

Die Digitale Bühne im Test: Die Kreismusik- und Kunstschule (KMKS) Gebrüder Graun.

Foto: Stefanie Kammer

Chris Poller im Gespräch

Chris Poller legte in der ehemaligen DDR den „Berufsausweis“ für professionelle Musiker ab, nahm damit eine Teilzeitstelle als Gesangslehrer an der heutigen Kreismusik- und Kunstschule Gebrüder Graun im Landkreis Elbe- Elster an und studierte parallel auf dem zweiten Bildungsweg an der Hochschule Carl Maria von Weber Dresden populären Gesang und E-Gitarre. „Ich fand es von Anfang an interessant, den Musikunterricht medial zu begleiten.“ Nachdem Chris Poller an die Kreismusikschule Gebrüder Graun kam, war der erste digitale Schritt 1993 ein Apple Macintosh Computer, 2003 folgte ein kleines Netzwerk mit vier Computer-Arbeitsplätzen, und in den folgenden Jahren wurde die digitale Ausstattung für den Unterricht ständig ausgebaut. „Wir konnten am Computer komponieren und mit Samples arbeiten, wir konnten die Schüler:innen im Unterricht aufnehmen, um nachher zu besprechen, wie sie singen und spielen, und sie konnten auch selbst im Unterrichtsraum semi-professionelle Aufnahmen herstellen.“ Die Kreismusikschule im Landkreis Elbe-Elster, die 2024 um einen Kunstschulbereich erweitert wurde, ist eine der leistungsstärksten kulturellen Bildungseinrichtungen im Land Brandenburg - an 43 Unterrichtsorten bilden 80 Lehrkräfte rund 2000 Schüler:innen in 30 verschiedenen Fächern aus. Seit 1994 bis 2019 leitete Chris Poller den Fachbereich Populäre Musik, den er maßgeblich mitaufgebaut hat, und im Sommer 2019 hat er die Leitung der Kreismusik- und Kunstschule übernommen. Im weiteren Ausbau ihrer Digitalstrukturen kam die KMKS problemlos durch die COVID-Pandemie.

„Am 15. März 2020 kam der Lockdown, am 16. März waren wir online mit den ersten Unterrichtsangeboten. Wenn in den ersten sechs Wochen auch nur 10 % der Schüler:innen gekündigt hätten, weil kein Angebot mehr da gewesen wäre, dann wären uns Arbeitsplätze weggebrochen und wir hätten das Modell Musikschule, wie wir es kannten, nicht weiterführen können.“ Über einen Drittmittelantrag akquirierte Chris Poller 2020 einen I-Mac, um die Initiative des Cellolehrers Nassib Ahmadieh zu unterstützen, die Kreismusikschule auch über Online-Konzerte sichtbar zu machen. „Die Schüler:innen haben nach einer vorher festgelegten Regie zu Hause ihre Konzertbeiträge mit dem Handy aufgezeichnet, Nassib hat sie am Rechner zusammengeführt und als Online-Konzert präsentiert, auf diesem Weg konnte er sogar sein Cello-Quartett online weiterführen.“ Interaktive Apps für das Online-Musizieren wurden ausprobiert und eingesetzt, und im weiteren Verlauf der COVID-Pandemie kamen auch hybride Unterrichtsformen zustande - in der musikalischen Frühförderung zum Beispiel wurden die Gruppen geteilt, im Wechsel nahmen jeweils 3 bis 4 Kinder in Person am Unterricht teil, und 3 bis 4 andere wurden digital zugeschaltet. „Im weiteren Ablauf der Pandemie zeigte sich die Arbeit mit kleinen Handy- und Computer-Displays als mühsam, viele Lehrkräfte sagten mir, dass sie sich große Wandmonitore wünschen.“ Ein erfolgreicher Antrag beim Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) erlaubte der Kreismusikschule dann 2022, eine neue digitale Infrastruktur aufzubauen. 

Mit ihrem Antrag „Digitale Ergänzung der musikpädagogischen Lehre an der Kreismusikschule Gebrüder Graun“ konnten Chris Poller und sein Team überzeugen, die Kreismusikschule bekam im Mai 2022 623,000 € Fördermittel für digitale Hardware und konnte damit bis Ende März 2023 45 Unterrichtsräume mit Wanddisplay und Soundbar ausstatten. 8 Audio-/Video-Workstations mit 65- Zoll-Displays, Steck-PC, Soundbar und Kamera kamen dazu, und jede Lehrkraft bekam außerdem ein Tablet oder einen Laptop. „Damit können sich die Kolleg:innen mit der Nummer des Unterrichtsraums auf das entsprechende Display schalten und online unterrichten. Wenn Hans und Frieda heute nicht erscheinen, weil ihre Mutter sie nicht fahren kann, dann bekommen sie einen Link und der Unterricht findet digital statt.“ Das digitale Unterrichten wird an der Kreismusik- und Kunstschule als eine Ergänzung des analogen Unterrichts gesehen, die den Unterrichtsausfall minimiert und dadurch zum hohen Leistungsniveau der KMKS Gebrüder Graun beiträgt. Im größten deutschen Jugendmusikwettbewerb - „Jugend musiziert - qualifizierten sich 2023 53 Musikschüler:innen der KMKS für den Landeswettbewerb. Im populären Gesang kamen von den 15 Brandenburger Finalist:innen 10 aus der Kreismusik- und Kunstschule. „Im Regionalwettbewerb ‚Jugend musiziert‘ 2024 haben wir unser Delegierungspotenzial zu 100 % ausgeschöpft, das heißt alle, die zum Landeswettbewerb delegiert werden konnten, wurden delegiert. Ich wage zu behaupten, dass diese Resultate ohne unsere digitale Ergänzung so nicht möglich gewesen wären.“

Die Lehrkräfte der Kreismusikschule wurden 2021 von einem Experten, dem langjährigen Leiter des Musikschulverbands Schleswig-Holstein Franz Michael Deimling, im Einsatz digitaler Medien im Musikunterricht geschult, und im Aufbau der digitalen Infrastruktur gab es weitere Schulungen für die neue Ausstattung. Viele Digitalkompetenzen haben sich die Lehrkräfte auch selbst angeeignet, und viele frühere Vorbehalte gegen das digitale Unterrichten sind heute kein Hindernis mehr. „Ich bin stolz auf das Engagement meines Teams, aber wir müssen immer wieder auch nachschulen, und das digitale Equipment muss betreut werden. Für jeden Regionalbereich konnte ich eine Lehrkraft einsetzen als Digitalbeauftragte:n, aber die Begleitung digitaler Nutzungen ist sehr aufwendig, zwei Abminderungsstunden geben bei weitem nicht die Zeit wider, die diese Aufgabe verlangt.“ 

Um die digitale Hardware optimal nutzen zu können, wünscht sich Chris Poller daher eine Fachkraft für Digitalkompetenz, die sich einerseits mit digitalen Endgeräten sehr gut auskennt und andererseits mit kultureller Bildung vertraut ist, so dass sie bestehende Abläufe und Formate optimieren und neue digitale Unterrichtsinhalte vorbereiten kann. In Kooperation mit der Digitalen Bühne definiert die KMKS zur Zeit das Anforderungsprofil der Stelle, sucht Finanzierungsmöglichkeiten, und entwirft künftige Kooperationen im Land Brandenburg. Als digitaler Arbeitsraum, der das gemeinsame Musizieren zur gleichen Zeit ermöglicht, soll die Digitale Bühne vor allem im zweiten großen Aufgabenbereich der KMKS, der Ensemblearbeit, getestet werden.

 

Teil 2 des Gesprächs erscheint im Newsletter März 2024.

Chris Poller mit der Sängerin Albertine Anoma (Foto: Jonas Gallin)

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