Julie Halten und Sarah Zalfen im Gespräch – Teil 2

von DigitaleBuehne_Admin

Einblick in das Digitale Bühne Netzwerk: Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg (MWFK)

Einblick in das Digitale-Bühne-Netzwerk

Brandenburg: Weingarten im Heimatmuseum / Foto: Stadt Mittenwalde

Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg (MWFK)

Julie Halten und Sarah Zalfen im Gespräch - Teil 2

Stefan Winter. Katja Lebelt und das teatreBLAU haben gezeigt, dass es im Theater jetzt viele Möglichkeiten gibt, mit hybriden und digitalen Formaten zu experimentieren, gerade an der Stelle, wo Ton und Bild zusammenkommen. In der Musik wird die Digitale Bühne zur Zeit oft im Unterricht eingesetzt und in der hybriden oder digitalen Probe. Darin liegen auf beiden Ebenen große Chancen der Inklusion und Nachhaltigkeit, aber auch der Internationalisierung. Studierende können von Expert*innen an anderen Orten Spielweisen lernen, die an ihrer eigenen Hochschule nicht gelehrt werden, ein Chor kann eine Leiterin aus einem anderen Kulturkreis für zwei oder drei Probesessions digital dazuschalten und von ihr lernen. Unterstützt des MWFK auch diese Perspektiven?

Julie Halten. Wir fangen im Kleinen an, und dafür ist die Kreismusikschule „Gebrüder Graun“ in Elbe-Elster ein schönes Beispiel, die im Unterricht bereits die Digitale Bühne einsetzt - hybride Chorproben, die den Mitgliedern im ländlichen Gebiet längere Anfahrtswege sparen, sind in Planung. Es geht zunächst einmal darum, die Menschen individuell mit dem digitalen Medium vertraut zu machen - was für Jugendliche einfach ist, bei älteren Menschen aber oft eine Überzeugungsarbeit erfordert. In Brandenburg ist die digitale Internationalisierung an vielen Orten noch kein Thema, weil man zunächst damit beschäftigt ist, die digitale Infrastruktur aufzubauen. Aber es gibt auch Einrichtungen, die bereits sehr international ausgerichtet sind.

Sarah Zalfen. Das Interface der Digitalen Bühne kann auch den umgekehrten Weg leisten, auf dem jemand, der sich in digitalen Medien souverän bewegen kann, im digitalen Raum das allererste Mal mit anderen zusammen singt. Es ist eine Brücke zwischen Kulturtechniken, die in beide Richtungen begehbar ist.


Dr. Sarah Zalfen, Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg

Stefan Winter. In einer jungen Generation lernen sich Musikbegeisterte mittlerweile auch im digitalen Raum kennen, proben online zusammen und treffen sich dann später mit ihren Instrumenten auch zu analogen Sessions. Auf der Ebene des Unterrichts unterstützt die Digitale Bühne das Programm „Musische Bildung für alle“ des Verbands der Musik- und Kunstschulen Brandenburgs, dem auch die Kreismusikschule „Gebrüder Graun“ angehört. Die Möglichkeit, auch einmal digitalen Unterricht zu haben, erleichtert Kindern und Jugendlichen den Zugang zu hochwertiger künstlerischer und musikalischer Bildung.

Julie Halten. In manchen Diskussionen wird das Analoge gegen das Digitale ausgespielt, und das möchte ich vermeiden - beides sind eigene Arten der Erfahrung. Ich habe die Digitale Bühne mit meinem Quartett ausprobiert, das ist ein besonderes musikalisches Erlebnis: Man sitzt zu Hause und hört die anderen, als wäre man im selben Raum. Wir müssen das Angebot, das in dem digitalen Medium liegt, so kommunizieren, dass dadurch im Gewohnten etwas Neues dazukommt, zum Beispiel ein Mehrwert für Projekte oder die Möglichkeit, häufiger zu proben und Menschen einzubeziehen, die sonst nicht kämen, weil die Wege zu weit sind.

Stefan Winter. Ich glaube, in der Zukunft werden wir hybride Formen sehen und einen komplementären Wechsel, in dem wir das eine Mal digital proben, und das andere Mal analog zusammenkommen. Michael Petermann vom Hamburger Konservatorium sagte, dass es eines Tages vielleicht selbstverständlich ist, zu fragen: wer ist heute im Raum, und wer ist digital dabei?

Sarah Zalfen. Die digitale Transformation ist ein fortlaufender Prozess, der Beschleunigungsphasen und Rückkopplungseffekte hat. Darin sollen Kultureinrichtungen und Projekte eine Souveränität finden, die sich aus ihrer künstlerischen Identität ergibt, und daraus sollten sie neue digitale Profile entwickeln – nicht unbedingt aus den aktuell angesagten digitalen Tools. Zur Zeit findet noch ein Angleichungsprozess statt, in dem die einen sich nach dem orientieren, was die anderen schon ausprobiert haben. Ich würde mir wünschen, dass diese gläserne Decke durchbrochen wird und ganz unterschiedliche Profile zum Tragen kommen. Die können sich dann mit den passenden digitalen Tools, zum Beispiel mit der Digitalen Bühne, weiterentwickeln.


Julie Halten, Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg

Stefan Winter. Wir wollen nicht einfach bekannte Strukturen aus der analogen Welt in das Digitale übersetzen, sondern für die digitale Welt neue Strukturen entwickeln, die wir vielleicht noch gar nicht kennen, die wir experimentell entwerfen und ausprobieren müssen. Das ergibt für mich das Bild einer spannenden Zeit, wo wir vor uns einen Horizont sehen, den wir noch nicht scharfstellen können. Darin sehen wir schemenhaft viele Möglichkeiten, aber wir müssen vorwärts gehen, um zu sehen, was es genau ist.

Julie Halten. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, um diese Vision, die ich teile, zu realisieren, dann sind das Offenheit, Neugier und die Bereitschaft zu einem langen Atem, um Dinge entstehen zu lassen und nicht ungeduldig zu werden, weil man noch nicht genau weiß, wo die Entwicklung hinführt. Das sind zwei Elemente, die wir auf allen Seiten brauchen, um neue Strukturen in der digitalen Welt entstehen zu lassen.

Teil 1 des Gesprächs erschien im Newsletter September 2022.

 

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