teatreBLAU. Katja Lebelt im Gespräch

von DigitaleBuehne_Admin

Die Digitale Bühne im Test:

Die Digitale Bühne im Test

Katja Lebelt (Foto: Lova Loebbert)

teatreBLAU. Katja Lebelt im Gespräch

Viele Jahre hat Katja Lebelt an Stadt- und Staatstheatern als Kostüm- und Bühnenbildnerin gearbeitet, bis sie eine neue Verbindung mit der Natur suchte, 2008 in Brandenburg aufs Land zog, einen landwirtschaftlichen Betrieb aufbaute und parallel ein freies Theater gründete, mit dem sie neun Jahre lang ein Festival, den Viesener Theaterfrühling, organisierte. „Ich fand es spannend, mit einem multidisziplinären Team aus Theater, Film und Musik zu arbeiten, und auch die Idee einer internationalen Produktion im ländlichen Raum hatte uns damals schon bewegt.“ 2016 übernahm Katja die künstlerische Leitung des Brandenburger Theaters, wo sie mit dem Teatre Principal aus Palma de Mallorca das Kooperationsprojekt „MAX - Kulturbrücken bauen“ entwickelte. 2018 gründete sie teatreBLAU, ein internationales Theaternetzwerk mit Sitz am Kleistforum in Frankfurt (Oder), das ländliche Orte ebenso wie große Städte in seine Produktionen einbezieht. „2019 habe ich ein Stück Land auf Mallorca übernommen und einen landwirtschaftlichen Betrieb aufgebaut. Seitdem pendele ich zwischen Spanien und Deutschland. Ich habe den Weg nach Mallorca gesucht, weil mich die Natur, das Licht, die Lebensweise und die künstlerischen Milieus auf der Insel fasziniert haben - und von Anfang an habe ich versucht, Orte in Brandenburg und Orte auf Mallorca in Theaterproduktionen zu verbinden.“

Als mehrsprachiges Ensemble fand teatreBLAU eine neue Theatersprache, die künstlerische Medien verbindet. „Es ist ein Theater, das sehr visuell arbeitet, viele unserer Mitglieder kommen aus der Architektur, Szenographie, Fotografie, oder aus Film und Video.“ 2020 arbeitete ein teatreBLAU Team aus Spanien, Deutschland, Argentinien, Chile, Syrien und Großbritannien an der Film-, Tanz- und Soundperformance Close up/Zoom out zum Thema Diktatur und Erinnerung, die ersten Proben waren am Centre d’Investigació Escènica (C.I.N.E.) in Sineu/Mallorca vorgesehen. „Aber dann kam Corona, und von heute auf morgen waren nur noch digitale Proben möglich. Das hat unser Konzept, an Orten, an denen wir spielen und kooperieren, schon in den Proben präsent zu sein, erst einmal durcheinander gebracht.“ Die zweite Probenphase und die Premiere konnten analog am T-Werk in Potsdam stattfinden, und im nächsten Lockdown adaptierte teatreBLAU Close up/Zoom out für ein digitales Education Project mit Workshops in Frankfurt (Oder) und für das Schloss Lieberose, in dem gerade die Ausstellung Rohkunstbau gezeigt wurde, wurden einige Szenen darauf für ein neues Stück adaptiert. „Einige Szenen haben wir übernommen, andere neu erfunden und über das digitale Whiteboard Lieberose auf unserer Website entwickelt, so dass wir die Bürger:innen von Lieberose über Interviews und Recherchen einbeziehen konnten. Das war ein erster Versuch, abgelegene ländliche Räume über das Internet sichtbar zu machen.“ In der Performance waren im Schloss in sieben Räumen Installationen mit Videointerviews, Musik und Tonspuren aufgebaut, und Tänzer haben die Zuschauer:innen im Live-Streaming mitgenommen durch die Räume. „So haben wir die Ausstellung, die statisch war, in Bewegung gesetzt, und die Performance haben wir dann in einen 20 minütigen Film gefasst.“

Katja Lebelt präsentiert (Foto: Farideh Diel)

Die erste Produktion, in der teatreBLAU mit der Digitalen Bühne gearbeitet hat, war eine neue Version der Oper Ba Ta Clan von Jacques Offenbach. „Die Stückentwicklung und die Probenarbeit sind über weite Strecken online abgelaufen, in unserem Probenaufbau für die Digitale Bühne konnte das ganze Ensemble gleichzeitig zusammen spielen, und die Sänger:innen waren von anderen Orten aus synchron dabei.“ In der alten Version der Oper flüchten sich Menschen aus Paris in eine andere Welt, in der alles einfacher und besser sein soll, und verlieren sich dann in China. Die neue Version übersetzt diesen Fluchtpunkt in das digitale Element des Minecraft Computerspiels, in dem sich Jugendliche eigene Welten bauen. „Im Dialog mit dem Regisseur, Biel Jordà aus Mallorca, hat mein Sohn Theo aus weißen Blöcken Minecraft-Welten aufgebaut, die auf drei Screens im Bühnenhintergrund zu sehen waren. Wir haben die weißen Blöcke als reale Würfel auf der Bühne weitergeführt, und auch die Kostüme waren weiß, so dass wir auf beides animierte Filme projizieren konnten. So hat sich das Live-Geschehen mit der Bildwelt auf den Screens vermischt.“ Die Partitur der Oper wurde umgeschrieben für sieben Streicher, ein E-Piano und ein Schlagzeug - passend für das Preußische Kammerorchester, das die Ba Ta Clan Musik spielte. Von August bis Oktober 2022 wurde die Oper in Prenzlau, Seelow und Angermünde, kleinen Orten im östlichen Brandenburg, hybrid aufgeführt: Raummikrofone gaben den Ton wieder, zwei Kameras zeigten das Bild in Totale und wechselnden Zooms, und über ein Audio-/Video-Mischpult wurde die Oper live gestreamt. Im Anschluss konnte sich das Publikum, das digital teilhatte, an der Diskussion mit den Schauspieler:innen und dem Publikum vor Ort beteiligen.

Die Idee, Orte auf dem Land im Live-Streaming von Kunst und Kultur für ein Publikum an vielen anderen Orten sichtbar zu machen, wurde fortgesetzt im gLOKALE Festival, das teatreBLAU seit 2023 in Kooperation mit der Digitalen Bühne und lokalen Partnern entwickelt. „Wenn die Aufführung auf einer digitalen Plattform gezeigt wird, dann steht die künstlerische Qualität im Mittelpunkt, ganz gleich, ob sie an einem abgelegenen Ort stattfindet oder mitten in einer großen Stadt.“ Umgekehrt kann ein Festival, das Beiträge aus dem ländlichen Raum und aus der Großstadt nebeneinander stellt, die beiden Welten verbinden und den Austausch zwischen ihnen fördern. Unter dem Motto „Into the Unknown“ zeigte die gLOKALE 2023 verschiedene Aspekte des Blicks in die Zukunft gemeinsam mit den lokalen Partnern Counterpoints Arts in London, Frontón in Sineu/Mallorca, Teatro del Sótano in Barcelona, dem E-WERK in Luckenwalde und dem Kleist Forum in Frankfurt (Oder). „In der gLOKALE 2024 entwickeln wir unser Rahmenthema ‚Über Orte‘ mit Partnern aus Brandenburg, Mallorca/Spanien und Italien, und wieder zeigen sich dabei Schnittstellen, an denen wir mit verschiedenen Perspektiven und Voraussetzungen an einem selben Thema arbeiten.“

Die gLOKALE 2024 erschließt wenig bekannte Orte für ein weites Publikum und lässt sie durch Erzählungen und Projektionen in der Tiefe ihrer Geschichte künstlerisch lebendig werden. „Mit Mikros, Kameras und der Übertragung auf der Digitalen Bühne können wir Menschen an Orte bringen, an die sie sonst nur über lange Wege kommen würden, und wir können sogar an Orten Theater machen, die analog kein Zuschauer erreichen kann.“ Für eine lebendige Kultur ist dabei aber auch wichtig, dass das Publikum Theater und Performance im digitalen Medium nicht einfach passiv aufnimmt und dabei vereinzelt bleibt, sondern dass es interagieren kann - in allen Veranstaltungen der gLOKALE können die Zuschauer:innen aktiv an der Diskussion mit den Akteur:innen und dem Publikum vor Ort teilnehmen. Eine Herausforderung bleibt dabei die Verschiedenheit der Sprachen: „Englisch ist die internationale Sprache, die viele Menschen in den ländlichen Räumen aber nicht fließend sprechen. Für eventuelle Sprachbarrieren suchen wir kreative Lösungen mit Übersetzung, Untertiteln, visuellen Elementen und Musik - wir wollen mit dem Festival erreichen, dass die Menschen zuhören und miteinander reden, auch wenn sie aus ganz unterschiedlichen Kontexten kommen.“

Exemplarisch dafür ist schon der Eröffnungsabend der gLOKALE 2024, der in einem Gastmahl an der digital geteilten Tafel das Publikum in Frankfurt (Oder) mit Gästen in Pollença auf Mallorca verbindet. Michael Schrodt im Kleist Forum und Annie O'Callaghan im Club Pollença lesen Texte, singen Lieder und führen durch ein Programm, das dem Thema ORTE gewidmet ist. In einem moderierten Publikumsgespräch zwischen den beiden Orten sind dann alle Teilnehmer:innen eingeladen, über Erfahrungen zu sprechen, Ideen auszutauschen und Geschichten zu erzählen. Gerade aus den Unterschieden der beiden Orte können Impulse entstehen, voneinander etwas zu lernen. „Mit dem Eröffnungsabend wollen wir zeigen, dass wir eine Kommunikationskultur aufbauen können, in der die Menschen an verschiedenen Orten gemeinsam etwas erleben und sich über Themen austauschen können, die alle etwas angehen.“

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