Einblick in das Digitale-Bühne-Netzwerk: Das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst

Kathrin Zimmer im Gespräch mit Stefan Winter – Teil 2

Kathrin Zimmer ist im StMWK Bayern Koordinatorin für Digitalisierung in Kunst & Kultur und Referentin für die Freie Kunst-Szene in Bayern, beide Stellen wurden 2020 eingerichtet.

 

Stefan Winter. Die Digitale Bühne trägt mit ihrer Technologie zur Nachhaltigkeit bei, aber sie unterstützt auch die Inklusion und den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Gerade in ländlich dünn besiedelten Gebieten können sich Menschen über das Internet zusammenfinden und im digitalen Raum gemeinsam musizieren oder Theaterspielen. Im größeren Maßstab bieten digitale Technologien die Möglichkeit, viel mehr Akteure und soziale Gruppen an kulturellen Aktivitäten zu beteiligen. Auch die hybriden Formate können verbindend wirken, wenn zum Beispiel Mitglieder eines Chors, die gerade auf Reisen sind, digital an der Probe teilnehmen können, oder Musiker*innen, die gerade nicht reisen können, im Live-Auftritt digital zugeschaltet werden.

Kathrin Zimmer. Das alles ist möglich, aber es verlangt ein stetes Onboarden der einzelnen Akteure. Man muss immer wieder neue Interessent*innen mitnehmen und das Netzwerk nach dem Schneeballprinzip erweitern. Etwas überspitzt: Vor der Pandemie war alles analog, in der Pandemie war alles digital, und jetzt sind wir dabei, uns hybride Formate zu erarbeiten. Das ist noch einmal komplexer, aber die Chancen sind groß und wir stehen gerade erst am Anfang, auszuprobieren, was alles möglich ist.

Stefan Winter. Man hat den Eindruck einer Aufbruchsstimmung, in der sich für verschiedene Künste neue Räume öffnen. In der Literatur und Lyrik entstehen über das 3D Audiosystem der Digitalen Bühne neue Möglichkeiten, die Stimme in einer Lesung zu erfahren.

Kathrin Zimmer. Ich stelle es mir spannend vor, wenn man auch den Raum der Lesung so konzipieren kann, wie ihr Inhalt gestaltet ist: anders beim Krimi, wo es um einen Mord in der Kathedrale geht, und anders bei einem Sonett, das in der Natur spielt. Zur Zeit gibt es dabei noch die technische Beschränkung, dass nur Wenige das notwendige Equipment für diese Audioerfahrung haben, und dass das 3D Audio sich auch nicht ohne Weiteres in YouTube oder andere Streams integrieren lässt. Aber das ist nur der aktuelle Stand der Entwicklung, das Potential wird in der Literatur und Lyrik durchaus gesehen.

Stefan Winter. Im Blick auf Digitalisierungsstrategien für Kunst und Kultur, was wären Ihre Projektionen für die nähere Zukunft, für die nächsten zwei bis fünf Jahre?

Kathrin Zimmer. Die Kulturinstitutionen und Akteure aus dem Kunstbereich werden anhand der digitalen Experimente, die sie in der Pandemie gemacht haben, entscheiden müssen, was einen weiterführenden Mehrwert für das Kunstwerk, den Schaffensprozess, die Künstler*innen und das Publikum hat, und was lediglich eine Notlösung war. Da, wo sie Potenzial sehen, das konsolidiert und weiter entwickelt werden kann, sollte es in eine strategische Entwicklung der Kulturinstitutionen eingebettet werden. Die Häuser sollten entscheiden, welchen Stellenwert das Digitale für sie einnimmt, und welche digitale Strategie sie entwickeln möchten. Die Koordinierungsstelle für Digitalisierung in Kunst und Kultur unterstützt die Kulturinstitutionen und Kulturschaffenden bei diesem Prozess. Langfristig braucht es einen Wandel hin zu einem Digital Mindset, und eine Orientierung in dem analog-digitalen Raum, der jetzt entsteht. Man wird in 5-10 jahren dann vielleicht nicht mehr analoge und digitale Angebote unterscheiden oder gar gegeneinander stellen, sondern einfach von Kulturangeboten sprechen, die auf verschiedenen Wegen zu uns kommen, und die wir als gleichwertig und jedes auf seine Weise als gewinnbringend empfinden.

Stefan Winter. Im Blick auf die Entwicklungslinien der Digitalen Bühne sind die Niederschwelligkeit und die Stabilität zwei große Themen: digital-stage-ovbox,  digital-web-pc und digital-stage-web sollen so einfach wie möglich zu bedienen sein und für jede Anwendung stabil funktionieren. Auf einer dritten Linie wird sich die Digitale Bühne weiter vom Probenraum zum Aufführungsraum entwickeln, mit Plug-ins für Streaming-Plattformen und anderen technischen Innovationen. Sehen Sie darüber hinaus Features und Funktionen, die die Digitale Bühne in der näheren Zukunft einlösen sollte?

Kathrin Zimmer. Niederschwelligkeit und Stabilität sind erst einmal grundlegende Eigenschaften auf dem Weg von der Beta Version in ein nächstes Stadium. In der Entwicklung der Digitalen Bühne vom Probenraum zum Auftrittsraum ist es dann aber auch wichtig, dass auch eine Bezahlschranke eingebaut wird. Wir hören diesen Wunsch immer wieder von den Akteuren der Freien Kunst-Szene: Am Ende eines digitalen Auftritts muss wie nach einem analogen Auftritt ein Honorar für die beteiligten Künstler*innen stehen.

 

Teil 1 des Gesprächs erschien im Newsletter April 2022.

„Freie Kunst-Szene“ © Michael Schrenk 2020.

           „Freie Kunst Szene“ © Michael Schrenk 2020
 

 

Teil 2 des Gesprächs erscheint im Newsletter Mai 2022.

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