Backstage: Fee Altmann, Geschäftsführerin der Digitalen Bühne – Teil 1

Als Fee in Bonn Kunstgeschichte studierte, hat es sie fasziniert, aus künstlerischen Artefakten die Zeit, der sie jeweils angehören, zu rekonstruieren, und den Blick dann umzukehren: Wie hat eine frühere Kunst ihre Gegenwart mitgestaltet, und wie trägt die aktuelle Kunst zur Gestaltung unserer  Gegenwart bei? In der Frage wird die Tradition lebendig, und man bekommt den magischen Moment, in dem etwas Neues entsteht, in den Blick. Diesen Moment gibt es nicht nur in den Künsten – auch in anderen Feldern entspricht er einem Raum, der schon entsteht, aber noch nicht definiert ist. „Ein in-between, ein Zwischenraum von Möglichkeiten, in dem wir wie in einer Arbeit am Trapez ohne Sicherung sind, aber zugleich aus dem Vollen schöpfen können, um etwas Neues aufzubauen.“

Von der Universität ging Fee in den Kunstmarkt, in ihrer Arbeit für Auktionshäuser und Galerien erlebte sie den Boom der 90er Jahre, in dem viel Geld in den Markt floss, die Gestaltungskraft der Kunst dabei aber zugleich einem fremden Zweck zugeordnet wurde. „Es war wichtig, dieses Funktionieren zu erkennen, aber es war auch klar, dass ich darin nicht aufgehen kann, denn mich hat interessiert, wie Kunst die Gegenwart gestaltet.“ In der Folge leitete Fee das Künstlerbüro und das Stiftungsarchiv von Adrien Piper, der renommierten Konzeptkünstlerin und Philosophin, die für die Idee einer forschenden Kunst eingetreten ist. Im Diskurs mit Adrien entwickelte sie einen Begriff der Forschung in der Kunst, und übernahm auf dieser Basis die Geschäftsführung des Instituts für künstlerische Forschung an der Filmuniversität Babelsberg.

Am Institut brachte Fee Studierende und Lehrende in neue Dialoge, um Begabungen zu fördern, die Entwicklung von Ideen zu begleiten und konkrete Projekte auf den Weg zu bringen. „Wenn es eine interessante Frage gibt in der Welt, dann kann man sie nicht alleine lösen, man braucht dafür die Interaktion mit anderen, die Vernetzung.“ An einem Film arbeiten viele Disziplinen miteinander, und als künstlerisches Arbeitsfeld ist der Film wiederum mit vielen anderen Bereichen der Gesellschaft und natürlich mit der Filmindustrie verbunden. Im kreativen Prozess gehört es auch dazu, bestehende Verbindungen zu hinterfragen und neue Vernetzungen zu schaffen. Wenn man von einer Frage ausgeht und als Antwort etwas gestalten möchte, dann bewegt man sich mit anderen durch einen offenen Raum, und dabei ist auch Intuition gefragt – um Wege zu finden und Unerwartetes produktiv aufzunehmen, bis man am Ende ein Ergebnis hat.

Aus dem Proberaum der Filmuniversität ging Fee weiter in eine neue Herausforderung – die Digitale Bühne. Julian Klein, der das Institut für Künstlerische Forschung Berlin in der freien Szene leitet, hatte das Projekt beim Hackaton #WirVsVirus eingereicht, und es zeigte sich schnell, dass die Krisensituation der Pandemie neue Kräfte in der Gesellschaft freisetzen konnte. „Menschen aus vielen verschiedenen Arbeitsfeldern kamen im Projekt zusammen, um gemeinsam die Frage zu lösen, wie eine Bühne für die Künste im digitalen Raum des Internet entstehen kann.“ Impulse aus Kunst und Kultur, Technologieentwicklung, Wissenschaft und Wirtschaft konnten sich in einer Geste der Solidarität verbinden.

 

Mit der Gründung der gemeinnützigen Digitale Bühne gGmbH entstand eine tragende Struktur für die Softwareentwicklung und ein Ort, an dem sich visionäre Energien bündeln und entfalten können, um gemeinsam etwas Neues in die Welt zu setzen. Als Geschäftsführerin hat Fee die Aufgabe übernommen, agilen Prozessen einen Rahmen, ein Gefäß zu geben, Gruppen und Institutionen im Projekt miteinander zu verbinden, ihren Dialog zu unterstützen und das Netzwerk zu erweitern. Ein weiteres Element der Steuerung, das sie in die Entwicklung der Digitalen Bühne eingibt, ist die Fokussierung, in der alle gemeinsam vorwärts gehen können. Wenn Ministerien und Kulturreferate, Landesverbände, Hochschulen und Forschungsinstitute, Theaterhäuser, freie Institutionen und soziale Einrichtungen, Software-Entwickler, Chöre, Gruppen und Ensembles aus verschiedenen Künsten miteinander interagieren, dann entsteht ein Möglichkeitsraum, in dem sich die Energien wechselseitig verstärken. „Und es ist dabei immer wieder wichtig, die Digitale Bühne und den digitalen Raum als eine Chance zu begreifen, die wir gemeinsam weitertragen und entwickeln können.“

 

Teil 2 des Portraits erscheint im Newsletter Mai 2022.

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