Backstage: Christof Ruch (Teil 2)

Ein Portrait unseres leitenden Software-Entwicklers

In ihrer Software-Entwicklung hat die Digitale Bühne alle Ziele der zweiten Förderperiode erreicht: digital-stage-ovbox, digital-stage-pc und digital-web laufen weitgehend stabil und störungsfrei, und es wird immer einfacher, sie zu nutzen. Die PC-Version hat für Windows bereits eine Auto-Update-Funktion, die für macOS noch nachgeführt wird. Ein neuer eingebauter Qualitätscheck für die Audio- und Netzwerkfunktion stellt sicher, dass die Nutzer:innen vorab wissen, ob sie störungsfrei mit der Digitalen Bühne arbeiten können. In der PC-Version haben Christof Ruch und sein Team zuletzt neue Features für den Chor entwickelt: für einzelne Gruppen im Chor, die farbig dargestellt werden, kann man die Lautstärke jetzt separat regeln; über eine Solo-Video-View-Funktion kann  man eine:n oder mehrere Musiker:innen in den Fokus stellen; ein Metronom steht zur Verfügung, und die Stereobasis, auf der sich der Chor positionieren kann, wird gerade implementiert.

Im Ausblick auf die nächste Entwicklungsphase sind drei Linien geplant, die einen gemeinsamen Nenner haben. „Zur Zeit wird die Digitale Bühne vor allem als ein Probenraum genutzt, aber mit der weiteren Software-Entwicklung kann sie auch ein Raum für den digitalen Auftritt werden.“

Ein erster Schritt hin zum Auftritt vor einem Online-Publikum wird darin bestehen, die Digitale Bühne direkt in das OBS Studio zu integrieren – eine Open Source-Software, die allgemein zum Streamen auf YouTube, Twitch und anderen Plattformen verwendet wird. Wenn die Digitale Bühne integriert ist, können die Nutzer:innen im OBS Studio eine Bühne auswählen und damit online auftreten.

Auf der zweiten Entwicklungslinie soll es möglich werden, den Auftritt mit der Digitalen Bühne in professioneller Qualität aufzuzeichnen. Der Audiokanal der Digitalen Bühne soll dazu über einen definierten Plug-in Standard an die geläufige Audioworkstation-Software (DAW) angeschlossen werden. „Man kann dann mehrere Spuren aufnehmen und sie später erst bearbeiten oder auch live mixen, so dass man Hall- und Raumeffekte in der Session selbst nutzen kann.“

Die dritte Linie der Software-Entwicklung denkt die Digitale Bühne für das Arbeitsfeld Performative Künste weiter. Wenn ein Theater die Digitale Bühne für den Online-Auftritt nutzen möchte, dann muss es eine Frontstage geben – eine Zuschaueransicht, die gestreamt wird –, aber auch eine  Backstage, wo sich die Akteure zusammenfinden, wenn sie gerade nicht auf der Bühne stehen. Auch ein digitaler Platz für die Regie ist vorgesehen, von dem aus man Signale für den Auf- und Abtritt geben und mit den Akteuren sprechen kann, ohne dass das Publikum es hört.

Die neuen digitalen Gestaltungsmittel öffnen neue künstlerische Möglichkeiten, Wege und Formate, und sie bieten auch dem Publikum eine neue Art von Erfahrung. „Ich glaube, dass man die neue Technik nutzen wird, um mehr Intimität, ein intensiveres Dabeisein herzustellen.“ In einem gestreamten Live-Konzert können Musiker:innen näher erscheinen, als sie es live in einem großen Club gewesen wären. In Rock- und Popkonzerten sieht das Publikum die Musiker:innen oft nur auf einer Leinwand, und auch in anderen Musikformaten ist das Geschehen auf der Bühne oftmals weit entfernt. „Wenn man eine Oper im Fernsehen sieht, dann ist die Kameraführung meist sehr gut, und man sieht mehr, als wenn man in der Oper sitzt. Trotzdem ist der Besuch der Oper das stärkere Erlebnis. Das ist das große Rätsel, wie man dieses physische Dabeisein in die hybride oder digitale Veranstaltung übertragen kann.“ Die Audioqualität spielt in dieser Frage eine wichtige Rolle, denn das Bühnenbild kann man hybrid oder digital vielleicht besser sehen, aber die Hörerfahrung im Klangraum der Oper war in den Medien bisher nur eingeschränkt reproduzierbar. „Wir haben jetzt Experimente mit dem 3D Audio, aber das ist noch nicht eine 3D Aufnahme aus einem echten Raum, die man ja auch herstellen kann.“ Die Digitale Bühne beteiligt sich aktiv auf diesem Weg, und sie wird  von den „early adopters“, die mit Headset, Mikrofon, Monitor-Signal und Audio-Interface umgehen können, bereits produktiv eingesetzt. „Was uns allerdings nach wie vor bekümmert, ist die Qualität des Internets in Deutschland, die sehr zufällig ist. Wir haben jetzt zum Glück eine Möglichkeit gefunden, die Digitale Bühne zusammen mit einem Glasfaseranschluss anzubieten.“

Teil 1 des Portraits erschien im Newsletter Januar 2022 und kann hier nachgelesen werden.

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