Giso Grimm. Die ovbox ist ein Weg, wie man das In-Ear-Monitoring über das Internet verteilen kann. Als wir in den Lockdown gingen und unsere Auftritte abgesagt wurden, habe ich versucht, mit der Box eine Möglichkeit zu schaffen, wie wir online zusammen spielen können. Am Anfang war die Technik schwierig zu bedienen, aber wir haben daran weiter gearbeitet, wir hatten den Wunsch, die Box einfacher zu machen. Bei Softwareprojekten ist es mir wichtig, Wissen und Erfahrungen zu teilen, deshalb habe ich die ovbox von Anfang an als Open Source Projekt gedacht.
Fee Altmann. Wenn ich die ovbox nutzen möchte, dann muss ich schon ein bisschen technisches Verständnis mitbringen – ich muss den Raspberry Pi Minicomputer zusammenstecken, ich muss das Betriebssystem aus dem Internet herunterladen und auf eine SD-Karte aufspielen …
Giso Grimm. Man muss sich darauf einlassen wollen. Wir haben natürlich versucht, eine möglichst genaue Dokumentation zu schreiben, in die viele Rückmeldungen eingegangen sind. Wenn man der Anleitung Schritt für Schritt folgt, kann man die ovbox ohne Schwierigkeiten nutzen. Es gibt mittlerweile auch eine Community, wo man sich Hilfe holen kann. Die Box wird von den Gambisten viel genutzt, von professionellen wie Amateurmusikern.
Fee Altmann. Die ovbox hat nicht nur eine minimale Latenz, sie gibt dabei auch das Klangbild einer Gambe wieder, ohne dass etwas verloren geht.
Giso Grimm. Die ovbox hat keine Datenkompression und keine Störgeräusch-Unterdrückung eingebaut – auf anderen Übertragungswegen führt beides dazu, dass der Instrumentenklang sehr stark gestört wird. Die Kernidee der ovbox ist, das reine, unverarbeitete Mikrofonsignal in einer hohen Qualität zu übertragen. Das ist für die Gamben gut, die obertonreiche Instrumente sind, aber natürlich auch für alle anderen Instrumente. Ein anderer wichtiger Punkt ist die Wiedergabe. In einer Zoom-Übertragung hören wir uns alle immer nur aus einer Richtung, und wir können nicht durcheinander sprechen. In der ovbox schaffen wir ein räumliches Klangbild: Wir sitzen virtuell in ein und demselben Raum im Kreis und können uns aus unterschiedlichen Richtungen hören, und so können wir auch transparenter miteinander musizieren. Es ist ein 3D Audio-Klangbild.
Hille Perl. Ich habe viele CD Aufnahmen gemacht und dabei mit der Zeit gelernt, das als Realität zu akzeptieren, was das Mikrofon aufzeichnet, und nicht das, was ich als Klangbild zu hören glaube. Wenn ich mich über die ovbox höre, dann kann ich mich darauf verlassen, dass ich die Töne so höre, wie sie klingen, und nicht so, wie ich denke, dass sie klingen. Und wenn wir uns auf diesen virtuellen Klangraum einlassen, dann öffnet sich für mich als Musikerin wie auch für die Zuhörer:innen eine andere Dimension im Verständnis zum Beispiel des Kontrapunkts, den ich jetzt durchhören kann, weil ich im Raum verschiedene Richtungen habe. Ich kann die Stücke tatsächlich noch einmal anders wahrnehmen. Ich lerne, anders zu hören.
Teil 2 des Gesprächs erscheint im Newsletter März 2022 und kann hier gelesen werden.