Backstage: Christof Ruch

Der leitende Software-Entwickler der Digitalen Bühne im Portrait

Als Christof Ruch in seiner frühen Schulzeit anfing zu programmieren, war er von der digitalen Technik fasziniert, und die Anwendungen, die er entwickelte, wurden schnell immer anspruchsvoller. Nach einem Informatikstudium an der TU Clausthal programmierte er bei dem Medizintechnik Start-up BrainLAB, bei dem er zuletzt ein Team von 75 Software-Entwickler:innen leitete. Aus Interesse für die Audio- und Videotechnik wechselte er zu Avid, einem größeren amerikanischen Unternehmen, das Videoschnittplätze anbietet und Fernsehsender ausstattet. „Als Softwareentwickler kann man ja alles machen, wenn es mit Computern zu tun hat, man ist nicht festgelegt auf eine Branche.“ Christof Ruch war dann CTO bei einem Unternehmen in der Automobilindustrie, bis er in der Home-Office-Einsamkeit der Pandemie nach neuen Projekten suchte und die Digitale Bühne fand – über sein Faible für die Musik.

Christof Ruch spielt Klavier und Akkkordeon, konzentriert sich aber, wenn er mit anderen Musik macht, auf den Synthesizer. Als er mit einem Freund, der 800 km entfernt wohnt, musizieren wollte, fanden sie die Jamulus Software, mit der sie Online Sessions spielen konnten. Als sich dabei die Schwächen dieser älteren Lösung zeigten, versuchte Christof Ruch zunächst, Verbesserungen einzubauen und schrieb dann 2019 eine neue Open-Source-Software: JammerNetz. „Ein anderer Ansatz, ich habe neue Techniken einbezogen, die es damals noch nicht gab.“ Als die Pandemie einsetzte, hat sich JammerNetz bewährt, und zugleich sah Christof Ruch das Potenzial der weiteren Entwicklung hin zu einem audiovisuellen System, mit dem Gruppen und Ensembles online gemeinsam musizieren oder Theater spielen können.

Die Digitale Bühne geht mit ihrer Lösung viel weiter als die Pandemie, denn sie bietet die Möglichkeit, europaweit mit Menschen Musik zu machen, die man online überhaupt erst findet. „Für jedes Thema gibt es im Internet Gleichgesinnte, die genau dasselbe Interesse haben. Das ist gar nicht zu vergleichen mit einem lokalen Umkreis.“ Um online zu musizieren, muss man sich allerdings mit einer studioähnlichen Atmosphäre vertraut machen. Auch ein:e Hobbysänger:in hat dann Kopfhörer auf, benutzt ein Mikrofon, und braucht dafür ein Monitorsignal. Im digitalen Raum verändert sich die Wahrnehmung beim Musizieren, aber auch die Erfahrung für das Publikum. Im ersten Lockdown 2020 wurde ein Auftritt von IAMX in München abgesagt, und statt dessen streamte er seine Songs, auf der akustischen Gitarre gespielt, aus Kalifornien einmal quer über den Planeten – „ein intensiver Eindruck; das hatte mehr Intimität als der Auftritt in einem großen Club“. Und in der Verbindung von 3D-Audio mit avancierten Bildverfahren hat das Experimentieren mit digitalen Bühnenräumen gerade erst angefangen. Es gibt ein Wechselverhältnis zwischen der Technologie und der Kunst, die mit ihr entsteht: „die Herstellungsweise ist ein Zaubertrick, der Teil des Werks wird“.

Auf der technischen Seite ist es die Vision der Digitalen Bühne und ihr nächstes Ziel bis Ende März 2022, die drei Versionen OV-box, pc und web zu integrieren. Die Webversion hat die geringste Einstiegshürde, sie ist mit Konferenzsoftware wie etwa Zoom vergleichbar. Die PC Download-Version erfordert einen Kopfhörer, ein Mikrofon und einen speziellen Treiber. Die OV-box ist ein kleiner Raspberry Pi Computer, den man zusammenstecken und mit einem Open Source Betriebssystem ausstatten muss. Christof Ruch arbeitet mit seinem Team daran, dass alle drei Versionen sehr einfach benutzbar werden. Denn nur so kann die Digitale Bühne der Allgemeinheit wirklich zur Verfügung stehen. Mit dem Gedanken der Gemeinnützigkeit verbindet Christof Ruch die initiale Freude des Programmierens: „Man kann als Software-Entwickler quasi aus dem Nichts etwas erschaffen.“

Teil 2 des Portraits von Christof Ruch bringt einen Ausblick auf die nächste Entwicklungsphase der Digitalen Bühne und kann hier gelesen werden.

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